Samuel Keller

Ach, mein Herr Jesu, dein Nahesein bringt großen Frieden ins Herz hinein. Und nach diesem großen Frieden schreit mein Herz. Der Unfrieden in der Welt scheint immer größer zu werden, der Sturm im Völkermeer flaut noch nicht ab, seine Wellen brausen und branden noch immer stärker! – Jesu, erbarme dich deiner Kinder und schenke uns einen Frieden, der größer ist als alle jene Beunruhigung. Wir sind doch dein und wir vertrauen dir und fassen dich bei deinem Wort: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende! Wir betteln nicht um eine Wegräumung aller Hemmnisse und Schmerzen, sondern bloß um deinen großen Seelenfrieden, daß wir stille sein können mitten im Sturm. Wir schreiben dir nichts vor, wie du uns führen sollst im Geldpunkt oder in der Kirchenfrage oder in der Politik – nur laß uns deinen Frieden genießen, daß da heimlich eine stille Stelle bleibt, wo dein Volk den Lobgesang leise einübt, den es brausend singen will, wenn du wiederkommst, um alles, alles neu zu machen! Wir warten auf dich – schicke uns als deinen Vorläufer den Frieden, der höher ist als alle Vernunft, daß es in uns blattstill wird – die Stille vor dem letzten Sturm! – daß wir das Atmen der Weltgeschichte hören können, die du den letzten steilen Hang heraufführst! Gib uns solchen Frieden, o Jesu! Amen.

Samuel Keller – Weihnachtsgebet

Ich danke dir, Herr Jesus Christ, daß dir keine Erniedrigung und Preisgabe zu schwer gewesen ist, um dich auf unsere Menschenstufe herabzulassen und unsere Armut zu teilen. Laß mich heute etwas von deiner großen Liebe spürbar erfahren, damit mein Herz jauchze über die Weihnachtsgabe von oben. Dann stimme meine inneren Saiten, daß ich dir ein neues Loblied singen kann und mich selbst auch dir völlig als Geschenk ausliefern. Und wenn es Erniedrigung meines alten albernen Hochmuts kostete und Preisgabe der selbstsüchtigen Wünsche! Wenn ich dich nur habe und du mein nur bist, dann ist mein Feiertag voll Klingen, und meine Seele freut sich deiner – besser und schöne, als einst das Kind unter dem Lichterbaum gejauchzt hat über Erdengeschenke und Süßigkeiten.